Ich weiß gar nicht mehr, wie lange das nun schon her ist, dass ich Besuch von Carmen und ihrem Mann bekam. Die beiden waren in Dänemark im Urlaub und auch einige Tage in Kopenhagen: Wir haben uns verabredet und einen netten Tag zusammen in der Stadt verbracht.
Ich erinnere mich noch gut: Wir saßen an der Istedgade in Vesterbro vor einer Bäckerei und Peter fragte mich, ob es etwas gäbe, was ich an Deutschland vermisse?
Und zu allererst und ganz spontan sind mir tatsächlich die Brötchen eingefallen.
Deutsche Brötchen. Innen weich und fluffig, Aussen knusprig und leicht glänzend – nicht weich wie ein Schwamm…
Nun ist es nicht so, dass es in Dänemark keine Brötchen gibt. Aber eben nicht solche, wie ich sie aus Deutschland kenne.
Kennt ihr das auch? Bestimmte Gerichte oder Lebensmittel, die es nur „Zuhause“ gibt und die ihr einfach vermisst, bei längerer Abwesenheit?
Ich könnte mich ganz bestimmt glücklich schätzen, wenn es nur die knusprigen Brötchen wären, die mir hier in Kopenhagen ab und zu mal fehlten. Das ließe sich eindeutig locker aushalten.
Tatsächlich ist es etwas anderes, was mir wirklich fehlt: Im Alltag mit jedem Menschen, mit dem ich Kontakt habe, in einer Sprache kommunizieren zu können, die ich hundertprozentig beherrsche und mit der ich exakt das ausdrücken kann, was ich möchte und ich sicher sein kann, dass es so beim Gegenüber ankommt, wie ich es gemeint habe.
Versteht mich nicht falsch: Ich komme hier klar im Alltag und treffe mich auch mit Leuten. Ich erledige die Dinge, die so anfallen und auch Behördengedöns und so etwas geht schon irgendwie. Auf Dänisch oder Englisch oder einer Mischung aus beiden Sprachen. Aber ein wirklich tiefer gehendes Gespräch zu führen ist schwieriger für mich (ja, immer noch trotz mittlerweile 7 Jahren im Land) und verlangt von meinem Gegenüber bestimmt etwas mehr Geduld beim Zuhören.
Manchmal fühle ich mich deswegen ein kleines bisschen einsam.
Auch beim Unterrichten meiner Druckkurse an der Volkshochschule in Kopenhagen merke ich das. Ich kann die Techniken, Gelliprint oder Siebdruck, wohl vermitteln. Aber sobald es über die reine Anwendung von Materialien hinausgeht, eine Teilnehmerin nicht mehr weiter weiß, sich selber in Frage stellt oder unzufrieden ist mit ihrer Kunst, wird es schwierig für mich. Es fehlen mir einfach die Worte.
Als wir damals nach Dänemark gezogen sind, hätte ich das so nicht erwartet. Die Erfahrung, sich einsam zu fühlen unter Menschen. Sprachbarriere. Ich dachte wirklich, es wäre einfacher…
Aber was hat das denn mit dem Atelierhaus zu tun?
Als ich nach den Pandemie-Jahren für mich die Entscheidung getroffen hatte, zukünftig meine Workshops auch als Online Kurse anbieten zu wollen (von der Atelierhaus Community war damals noch gar keine Rede), habe ich natürlich länger darüber nachgedacht, wie ich das anstelle. Welche Art Kurse sollten es sein? Wie finanziere ich das Ganze? YouTube oder nicht? Wen möchte ich erreichen? Und natürlich habe ich mir auch die Frage gestellt, wie viele Menschen ich mit meinen Angeboten erreichen muss, um zum Familieneinkommen einen nennenswerten Betrag beisteuern zu können.
Um eine grössere Zielgruppe anzusprechen, wäre es unumgänglich gewesen, meine Kurse in Englisch zu produzieren. Und es gibt auch deutsche Künstler*innen, die ihr Angebot sehr erfolgreich auf den englischsprachigen Markt zugeschnitten haben.
Ich bin in meinem dreisprachigen Alltag mittlerweile zwar ganz gut in der Englischen Sprache angekommen, lese viele Bücher in Englisch und nutze selbst auch das gigantische Angebot an Kursen und Videos und Blogs aus dem englischsprachigen Raum gerne und regelmässig.
Auch erste Erfahrungen, was die Erstellung von Inhalten in Englisch angeht, durfte ich sammeln, als mich Juli Fei-Fan Balzer fragte, ob ich ein Video für die Carve December Class beisteuern möchte. Das habe ich natürlich gemacht und es ging besser, als gedacht. Bei vorproduzierten Inhalten lassen sich die Texte nachträglich einsprechen und „ausbessern“.
Also machbar wäre das gewesen.
Aber irgendwie fühlte es sich nicht richtig an für mich. Wie ich schon zu Beginn schrieb: Ich handtiere viel zu oft mit Sprachen, in denen ich nicht hundertprozentig ausdrücken kann, was ich möchte und das wollte ich nicht fortsetzen in meinen Kursen.
Deswegen habe ich damals entschieden, meine Kurse auf Deutsch anzubieten.
Das war 2020 und mittlerweile habe ich zusammen mit meiner Gründungsgruppe mein Atelierhaus bezogen. Die virtuelle Heimat für meine Kurse und der Raum, den ich für meine Community zur Verfügung stelle, wo sich die Mitglieder treffen, sich austauschen und ihre Werke zeigen. Voneinander lernen, sich gegenseitig unterstützen und wir alle gemeinsam daran arbeiten, im Alltag unsere Kreativität zu leben und zu füttern. Wo wir authentisch sein dürfen und uns auf diese Weise gemeinsam und jede für sich weiterentwickeln. Wo ich meine Ideen für Kreativ-Impulse und neue Techniken, Tipps und Tricks rund um Mixed Media, Drucken, Stempeln, Malen, Papier und Stoff und alles das unter einem Dach versammeln kann.
Und das kann ich nunmal am besten, wenn ich frei von der Leber weg sprechen kann, ohne Vokabeln suchen zu müssen.
Vor ein paar Tagen habe ich innerhalb der Atelierhausgemeinschaft herumgefragt, wie denn die Mitglieder das so sehen, mit der Sprache.
Die Antworten auf die Frage, wie wichtig denn die Tatsache ist, dass das Atelierhaus auf Deutsch angeboten wird, bestätigen mein eigenes Empfinden diesbezüglich.
Für einige ist es kein Problem, sie sind englischsprachige Kurse gewohnt und können das gut mitverfolgen und aktiv daran teilnehmen. Für einige ist Englisch eine Hürde und daher keine Option. Der überwiegende Teil findet Englisch plus deutsche Inhalte ok. Nur Englisch wäre akzeptabel, würde aber dazu führen, dass sie sich lieber zurückhalten und weniger aktiv sind, da die Sprachbarriere dem Austausch die Leichtigkeit nimmt.
Und ganz genau so geht es mir selber auch.
Daher wird die Atelierhaussprache weiterhin Deutsch bleiben, auch wenn ich hin und wieder auf englischsprachige Videos und Bücher verweise und wir uns natürlich mit Künstler:innen aus unterschiedlichen Ländern beschäftigen.
Bisher bin ich mehr als überzeugt davon, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Für meine in sich abgeschlossenen Selbstlernkurse und besonders für Kristina’s Atelierhaus, meinen Community Bereich, wo die Mitglieder ein- und ausgehen, sich treffen, austauschen und wo die Videos und Filme und sonstigen Inhalte nach Themen sortiert in den einzelnen Werkstatträumen wohnen.
Wenn alles gut geht, werde ich die Atelierhaus Community in wenigen Wochen wieder öffnen für neue Jahres-Mitglieder. (Monatstickets zum Reinschnuppern sind jederzeit erhältlich)
Und ich freue mich bereits sehr darauf, mit euch allen in einen kreativen Herbst durchzustarten!
Ach, und falls jetzt jemand von euch Lust auf Sonntagsbrötchen haben sollte: Dieses Rezept hier hatte ich mal ausprobiert und fand das Ergebnis ganz ok!
Du bist auf der Suche nach einer Kreativ- und Künstlergemeinschaft, in der du dich mit Gleichgesinnten treffen und austauschen kannst, und wir gemeinsam unseren „Weg der Künstler“ gehen?
Trage dich gerne in meine Atelierhaus Newsletter Liste ein. Dann benachrichtige ich dich, sobald das Haus seine Türen wieder öffnet!
3 Antworten
Ich verstehe dich gut, liebe Kristina. Und es ist vor allem sehr gut, eine Entscheidung zu treffen und dazu zu stehen. Ich wäre extrem gespannt auf deine neue Textilwerkstatt, weiß aber genau, dass ich das bis Jahresende keinesfalls unterbringe. Ich bin verplant bis über beide Ohren. Ein bisschen Stricken und Spinnen wird gehen. Ich wünsche Dir ganz viel tolle Kurserfahrungen mit dem Atelierhaus 2.0 und freue mich aufs Wiedersehen im nächsten Jahr! Liebe Grüße, Gabi
Liebe Kristina,
ich freue mich über dein so ehrliches Statement zur Sprache und zum Atelierhaus. Und wir brauchen doch in der Tat auch Kurse in Heimatsprachen. Die Welt ist bunt und wir mit unseren unterschiedlichen Sprachen und Angeboten sind es ebenfalls. So freue ich mich denn auf einen kreativen, bunten und spannenden Herbst im Atelierhaus.
Viele liebe Grüße, Ute
Huhu Kristina,
dein Beitrag gefällt mir sehr. Ich habe vor längerer Zeit mal in einem Interview mit Thomas Gottschalk gehört, dass auch er bzw. die Familie sich nach vielen, vielen Jahren in den USA noch immer nicht vollständig angekommen fühlen. Damals ging es u.a. um fiktive Personen (aus Märchen, Comedy und Kindertagen, Einwanderergeschichten usw.) zu denen ihnen der Hintergrund fehlte, wenn solcherlei Begriffe im normalen Alltag zur Sprache kamen.
Das Sonntagsbrötchen-Rezept habe ich mir abgespeichert. Das will ich demnächst mal ausprobieren. DANKE!!
Nachdem das Atelier alle üblichen Kinderkrankheiten durchgemacht hat, ist es jetzt stark und reif für das Leben. 😉 Hut ab für das, was du geleistet hast!
Liebe Grüße
ela