Beginner’s Mind oder Kristina lernt Nähen und versteht nur Bahnhof…

… oder besser banegård. 

Mein lieber Scholli, das war eine Herausforderung. Derartig sprachlich gechallenged, wie es auf Neudeutsch so schön heißt, war ich zuletzt, als mein Revisor versucht hat, mir den Jahresabschluss zu verklickern zum ersten Mal… Steuergedöns ist schon in der eigenen Sprache nicht immer leicht zu verstehen. 

Versteht ihr, was ich meine?

Ok. Ich fange von vorn an. Schon seit vielen Jahren möchte ich ein paar Schnittmuster für Bekleidungsstücke haben, die mir wirklich passen. Ich meine so richtig gut. Nicht „Ach, ich nehme es eine Nummer größer damit es am Hintern nicht spannt auch wenn es jetzt obenrum schlabbert“ oder „Die Farbe ist nicht so dolle aber in meiner Lieblingsfarbe gibt es nur noch XS, na gut…“

Und da mein Körper sich in den letzten Jahren nun endgültig vom Standardfrauenkörpermaß verabschiedet hat (will sagen: ich habe schwer zugenommen) ist es noch schwieriger, passende Klamotten zu bekommen. Vor allen Dingen, wenn frau, so wie ich, eh kein Interesse an Mode und Klamotten shoppen hat.

Ich habe mich also endlich zu einem Nähkurs angemeldet. Am Mittwoch war ich das erste Mal dort und ich glaube, ich habe den richtigen Kurs gefunden. Ich möchte lernen, wie ich mir eigene Schnitte nach den mitgebrachten Kleidungstücken erstellen kann. 

Die FOF in Kopenhagen, wo ich selber auch Kurse gebe, hat mehrere Textilwerkstätten. Ähnlich wie die Keramikwerkstatt nebenan, wo ich mich in den letzten Jahren kreativ ausgelebt habe neben meiner Arbeit (in meinem Beitrag: Be an Amateur – Neue Hobbies müssen her hatte ich davon berichtet), ist der Nähraum schön hell und mit Tischen in verschiedenen Höhen ausgestattet. Und jeder Menge Werkzeuge, welche ich noch nicht kenne. Großartig.

Mein Projekt Nummer Eins: Eine Bluse oder Hemdbluse? oder wie auch immer es bezeichnet wird. Sagen wir Oberteil. Nachdem ich unserer Kursleiterin Lene meine Idee geschildert hatte und meine mitgebrachten Teile begutachtet wurden, ging es erstmal ans Bügelbrett.

 Diese Skizze hat Lene schnell gemacht, nachdem sie die Teile vermessen hatte. Danach wurde ich vermessen und sie drückte mir die Tabelle, die weiter oben ist, in die Hand. Zum Ausrechnen von diversen Maßen. 

Und danach durfte ich dann mitverfolgen, wie in unter 10 Minuten diese Zeichnung entstand. Faszinierend. 
So wie ich es verstanden habe, ist das der Ausgangsschnitt, der die Grundlage für alle weiteren Änderungen bilden wird.
Von dem Teil durfte ich dann selber zwei Vorderteil-Teile und das Rückenteil auf separate Papierstücke übertragen.
So weit, so gut.

Links die Leinenbluse, die mir ganz gut passt. Hat leider lange Ärmel. Rechts eine Bluse, die zwar auch passt, aber von der Länge etwas zu kurz ist für mich. Jedesmal hängt mir der Stoff beim Kochen auf der Küchenarbeitsplatte und im Essen, sobald ich einen Oberschrank öffne… Aber die Ärmel sind perfekt!

Und hier gefällt mir die Kragensituation.

Warum dieser Abnäher senkrecht verläuft, hat sich mir nicht erschlossen (Sprachbarriere). Aber die Nahtzugaben habe ich eingezeichnet. Und dann war die Zeit auch schon um. Zwischendurch habe ich auch immer bei den anderen geschaut und gelauscht. 
Nächstes Mal soll ich billigen Stoff mitbringen für ein Probeteil. Ich freue mich schon!
Ich stelle mich also der Herausforderung. Zum einen, etwas Neues zu lernen und zum anderen meine Dänischkenntnisse um einiges an Fachvokabular zu erweitern.
Leider konnte mir niemand ein Fachbuch auf Dänisch empfehlen. Da muss ich mal schauen…

Wenn hier jemand von euch Nähzauberinnen und Zauberern da draußen Tipps für mich hat, was Bücher, Anleitungen, tolle Nähblogs und sonstige Infos angeht, die ich wissen muss – immer her damit! Eine neue Hobby-Kreativwelt tut sich auf!

Oh, und noch eine Frage: Was für Stoff müsste ich denn kaufen, wenn ich ein Oberteil in „Leinenoptik“ haben wollte, welches nicht ganz so doll knittert? Bügeln gehört nicht zu meinen Kernkompetenzen.

Und wo kaufe ich das am besten?

Hachistdasallesaufregend!

 

11 Antworten

  1. Wow, ich bin beeindruckt! Von deinem Elan und von der Lehrerin, die aus deinen Maßen und deinen Vorstellungen so ratzfatz den Schnitt gezaubert hat. Was allgemein so ein Image von Hobby hat, ist mathematisch ganz schön anspruchsvoll. Ich bin aktuell auch wieder dabei meine Kleidung selbst zu nähen, hauptsächlich der Taschen wegen. Weil ich dann entscheiden kann, wie viele Taschen meine Röcke und Hosen haben und wie viele. Wie oft fertig käufliche Frauenkleidung nicht passt, ist echt eine Katastrophe.
    Liebe Grüße
    Angela

    1. Ich war ebenfalls beeindruckt! Ehrlich gesagt, hatte ich erwartet, dass ich meine mitgebrachten Teile auf Papier lege und irgendwie drumrum zeichne oder so. Das hatte hatte ich so zumindestens auf verschiedenen YouTube Videos gesehen…Mal sehen, wie es weitergeht- Morgen geht es an ein Probeteil…ich bin gespannt!
      Schon lange bewundere ich euch alle, die ihr eure Kleidung selber nähen könnt!

      1. Ich hätte das wahrscheinlich auch so gemacht, dass ich die passenden Kleidungsstücke auf Papier lege und drumherum zeichne. So habe ich das früher tatsächlich mal gemacht.

        Was deine Lehrerin macht, da ist auch schon ein bisschen Magie dabei ❤️

  2. Hm. Kannst Du bei dem mini bißchen zu kurz geratenen Hemd eine Naht unten auftrennen und ein *Schrägband* innen dagegen setzen, so dass das Hemd ein paar cm länger ist.
    Ärmel kann man ja krämpeln 😉.
    Ich finde übrigens, Leinen hat eine schöne Stoffoptik ohne dass man sie bügeln muss.
    Liebe Grüße
    Nina

  3. Genial, dass du das Nähen gleich von Grund auf angehst! Viele probieren sich ja erstmal an fertigen Schnittmustern. Ich freu mich auf jeden Fall, dass du zum Nähen und Schneidern gefunden hast. Es ist einfach ein tolles Hobby, bei dem du nie auslernst.

    Einen Tipp für einen tollen Nähblog, habe ich natürlich auch für dich parat. Auch wenn es vielleicht ein klein wenig Eigenwerbung ist, weil ich als freie Redakteurin teil dieses bunten Teams bin. 🙂
    Vielleicht kennst du ja auch schon die liebe Sabine von SewSimple? In der deutschen Nähcommunity ist sie bekannt wie ein bunter Hund.
    https://sewsimple.de/

    Zum Thema knitterfreien Leinen: Ich hatte letztens einen Leinen-Woll-Mix unter der Nadel. Der Stoff scheint mir recht knitterfrei zu sein. Und dazu punktet er auch noch mit seinen natürlichen Fasern. Ich bin nicht so der Fan von chemischen Fasern.

    Liebe Grüße, Katja

  4. Stoffnotizen hat deine Fragen wirklich perfekt beantwortet.

    Vielleicht gab es mal eine Nähzeitschrift auf dänisch aus der du Vokabeln lernen kannst oder Grundlagenbücher z. B. aus den 80ern, als es weit verbreitet war selbst zu nähen. Ebay könnte dir da evtl. helfen oder wo man sonst in Dänemark alte Bücher kaufen kann. Auf Deutsch und Englisch sind Nähvokabeln und Formulierungen auf jeden Fall sehr speziell und kommen sonst im Leben kaum vor. Erzähl mal bei Gelegenheit, ob das auf dänisch auch so ist.

  5. Coole Sache! Das Konstruieren der eigenen Kleidung möchte ich auch nicht mehr missen. Eigentlich bist Du damit nicht mehr nur beim Nähen, sondern schon beim Schneidern 😉 Das Daten- und Berechnungsblatt macht auf jeden Fall Eindruck, ganz besonders die vielen Abkürzungen! Ich habe mir vor einigen Jahren – und über mehrere Jahre – mit den Büchern von Hofebitzer und Schnittechnikbeiträgen aus der Zeitschrift von Müller&Sohn das Konstruieren von Oberteilen beigebracht – da sehe ich Paralellen und auch Unterschiede zu Deinem Berechnungsblatt und der Konstruktion. Aber es gibt halt verschiedene Ansätze und Systeme der Bekleidungskonstruktion, die wohl alle funktionieren. Der senkrechte Brustabnäher ergibt sich meiner Meinung nach aus dem Konstruktionsschema und ist eigentlich nur im Grundschnitt so. Das erleichtert das ggf. notwendige Anpassen des Schnittes nach der ersten Anprobe. Prinzipiell kann man den Brustabnäher in alle möglichen Winkel und Richtungen drehen – ganz wie man das dann letztendlich im gewünschten Modellschnitt umsetzen will. Als Stoff mit Leinenoptik, der vielleicht weniger knittert, würde ich ein Baumwoll-Leinen-Gemisch versuchen. Viskose-Leinen finde ich auch schön, das fällt jedoch weicher als reines Leinen und ist vielleicht etwas flutschiger. Zur Minimierung des Bügelaufwandes könnte man sich auf Kragen und die Belege beschränken, die meist die Form definieren. Viel Erfolg und gutes Gelingen! Liebe Grüße!

    1. Stimmt- im Grunde fange ich beim Schneidern an und nicht beim Nähen! Das ist mir aber auch ganz recht. Deshalb habe ich bewusst nach einem fortlaufenden Nähkurs gesucht, wo jede das umsetzen kann, was sie gerade möchte. Die Lehrerin ist Profi auch in Schnittkonstruktion und hat da wohl ihre bevorzugte Methode. Ich wollte nicht mit einem einfachen Hosenschnitt oder so anfangen, weil ich keine solche Hose will…
      Danke für deinen Kommentar und die Tipps zu Lehrbüchern. Ich warte mal die nächsten Termine ab und werde mich schlaumachen, was es so gibt in der Bibliothek. Leinen plus Baumwolle oder Viskose scheint mir vernünftig!

  6. Deine Probleme bzgl Sprache und richtiges Schnittmuster kann ich gut nachvollziehen.
    Vor allem bei Computerproblemen habe ich festgestellt, es hapert nicht an meinem Englisch, sondern am Verständnis überhaupt.
    Den richtigen Schnitt zu finden oder zu erstellen ist für mich ein Glücksspiel. Mit dem einen Stoff, ist der Schnitt super, mit dem nächsten so lala. Für ein Probestück nimmt man eigentlich Nessel, unverarbeitete BW, aber die hat eben nicht die Eigenschaften von anderen Stoffen. Also einen ähnlichen billigen, wir man es später möchte.
    Ich habe zum Fachbegriffe in englisch lernen, Anfänger Patchworkbücher aus der Bücherei durchgelesen, wo zu Beginn immer die zu benutzenden Sachen beschrieben werden. Bestimmt gibt es in dänisch auch Anfängerbücher fürs Kleidung nähen.
    LG gabi

    1. Hej Gabi,
      es gibt Nessel im Kurs zu kaufen. Danke für den Tipp mit dem ähnlichen Stoff- ich werde mal meine Stoffberge durchgraben, vielleicht finde ich etwas geeignetes. Ich denke, ich werde mal in die Bibliothek gehen und nach Nähbüchern schauen. Mir wurde gesagt, dass es die besten Bücher auf Deutsch oder Englisch gibt- das mag wohl sein, hilft mir aber nicht beim Vokabeln lernen 🙂
      Ich gehe das ganz entspannt an- es wird etwas werden, egal wie lange ich brauche… auf jeden Fall kommt erst der schnitt und dann nähen lernen. das finde ich so gut- ich will nämlich nicht erst 15 Schnitte nähen um dann festzustellen, dass die nicht passen…
      Viele Grüße aus dem Norden!

Schreibe einen Kommentar zu Angela Antwort abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website ist durch reCAPTCHA geschützt und es gelten die Datenschutzbestimmungen und Nutzungsbedingungen von Google

 

Hej! Ich bin Kristina, Künstlerin und Bloggerin. Ich horte Papier und Stoffe. Mein Herz schlägt für Siebdruck, Stempelschnitzen, Büchermachen, Collagen und Mixed Media. Hier schreibe ich über das, was ich tue und darüber, was ich denke, während ich tue was ich tue. Und ich zeige euch meine Stadt Kopenhagen.

Willkommen in meinem kleinen Stückchen vom Internet!

Jeder neuen Blogpost automatisch in deinen Posteingang

Ich sende keinen Spam! Erfahre mehr in meiner [link]Datenschutzerklärung[/link].

Suche
Consent Management Platform von Real Cookie Banner